Als Autor mehrerer Bücher und Aufsätze über Wittgenstein und einer seiner Nachlaßverwalter darf Joachim Schulte zu den wichtigsten Wittgensteinforschern zählen. Sein bei Suhrkamp in der Reihe "BasisBiographie" erschienenes Buch "Ludwig Wittgenstein" zeugt von großer Sachkenntnis und souveränem Umgang sowohl mit der komplexen Philosophie wie auch der nicht minder komplizierten Persönlichkeit Wittgensteins. Von letzterer erhält der Leser im ersten Teil einen plastischen Eindruck. Hierzu tragen insbesondere auch Erinnerungen von Zeitgenossen bei, so etwa wenn Feigl über Wittgensteins Impulsivität während eines Streits mit Carnap berichtet (31).
Anschaulich auch die Beschreibung der Ambivalenz von Wittgensteins Charakter, der allen "Selbstzweifeln zum Trotz" am 7.2. 1931 notiert: "Wenn mein Name fortleben wird, dann nur als der Terminus ad quem der großen abendländischen Philosophie. Gleichsam wie der Name dessen, der die Alexandrinische Bibliothek verbrannt hat" (40). Dass Wittgenstein nicht unbedingt an falscher Bescheidenheit litt, wird also nicht bloß durch jene Sentenz aus dem Vorwort des "Tractatus" belegt, in welcher er meint, "die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben."
Der zweite Teil gibt einen konzisen Überblick über die wichtigsten Theoriebestände von Wittgensteins Philosophie(n). Schulte folgt dabei nicht der häufig vertretenen Unterscheidung zwischen einem frühen Wittgenstein des "Tractatus" und einem späten der "Philosophischen Untersuchungen", sondern fordert eine höhere Beachtung der dazwischen liegenden "mittleren Periode", deren Bedeutung sich nicht darin erschöpfe, Übergang und Vorstufe des späten Wittgensteins zu sein (124).
Von dieser Betrachtung abgesehen, hält sich Schulte aus werkgeschichtlichen Spezialfragen heraus und beschränkt sich auf das für ein einführendes Werk Wesentliche. Die ausführliche Beschreibung der mittleren Phase bringt es jedoch mit sich, dass einige derjenigen Konzepte und Ideen, die zu den bedeutendsten Theoriestücken der Wittgensteinschen Philosophie insgesamt zu zählen sind, zu knapp erläutert werden, so etwa das Privatsprachenargument und das Problem der Empfindungssprache (95ff).
Die Darstellung von Wirkung und Rezeption der wittgensteinschen Werke beschließt Schultes Buch, dessen Gebrauchswert durch eine Zeittafel, eine ausführliche Bibliografie sowie ein Personen- und ein Werkregister noch erhöht wird.
In Format und Umfang ähnelt die BasisBiographie zum Verwechseln den bekannten Bildmonographien von Rowohlt. Man hat sich bei Suhrkamp noch etwas mehr um Lesefreundlichkeit bemüht: Längere Zitate finden sich, farblich unterlegt, in Kästchen. An den Seitenrändern dienen Stichworte zum schnellen Auffinden der jeweiligen Inhalte.
Das Buch kann jedem empfohlen werden, der sich einen ersten Einblick in Wittgensteins Biographie und Denken verschaffen möchte.