Wer kennt nicht die Bilder aus dem Fernsehen, wenn sich ein zukünftiges Kreuzfahrtschiff durch ein enges Flussbett quält, das nicht selten für einen Großauftrag vertieft und verbreitert wurde. Die Schaulustigen am Ufer träumen von der Karibik, sehnen sich nach dem Sonnendeck, und der ein oder andere mag da auch schlechte Gedanken hegen. Sandra Lüpkes schafft es, uns mit ihrem Roman Halbmast in die Welt rarer Arbeitsplätze, amerikanischer Investoren, tatkräftiger Umweltschützer und auf Profit bedachter Werftbesitzer zu versetzen. Wer dabei an die rissige Tee-Idylle in Agatha Christies Roman Tod auf dem Nil denkt, wird überrascht sein, wie geschickt die Autorin die deutsche Wirklichkeit beschreibt. Eine spannende Geschichte, die in wechselnder Perspektive den Suspense zu steigern vermag.
Wie das Leben billiger ausländischer Arbeitskräfte, ohne die deutsche Unternehmen glauben, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, im Schatten dieser Glitzerwelt verkümmert, wie selbst die höheren Angestellten zu Gefangenen eines Auftrags werden, der der Region Arbeit verschafft hat und bei erfolgreichem Abschluss womöglich weitere Aufträge nach sich zieht, wird in Halbmast zur eigentlichen Tragik, wenn man einmal von dem Mord an einem Menschen absieht, der sich schuldig gemacht hat. Während die Fotografin Carolin im Rumpf der Poseidonna, ein weiteres Verbrechen zu verhindern sucht, wissen wir längst um die Abgründe dieses Geschäfts. Es gibt keinen in den höheren Etagen, der sich nicht die Hände schmutzig gemacht hat. Wenn ein Verlag sich genötigt sieht, zu Beginn eines Romans darauf hinzuweisen, daß alles nur frei erfunden ist, muß es einer Autorin gelungen sein, ganz nah an die Wirklichkeit zu rücken. Was dürfen wir von einem Kriminalroman mehr erwarten, als daß er die Menschen da draußen im Blick behält.