Offene See

Ein noch sehr junger Mann begibt sich im England der unmittelbaren Nachkriegszeit auf eine Wanderung ins Ungewisse und begegnet dabei einer wesentlich älteren Frau, die ihn bei sich aufnimmt und seinen Geist formt. Spannende Entwicklung des jungen Mannes innerhalb weniger Monate durch den Einfluss dieser Frau. Interessant zu lesen und sprachlich gut umgesetzt. Was mich allerdings ein wenig gestört hat und warum ich nur 4 statt 5 Punkten gebe, ist die etwas unglaubwürdige Handlung. Dass z.B. die gastfreundliche Frau in einer Zeit, während der alle anderen darben, mit Lebensmitteln so großzuügig versorgt ist, erscheint mir nicht nachvollziehbar. Auch das Tempo, mit dem der ja noch sehr junge und unausgebildete Mann das völlig heruntergekommene Nebengebäude restauriert und dabei sogar schwierige Klemperarbeiten mit leichter Hand erledigt, wirkt auf mich ein wenig erfunden. Dennoch ein empfehlenswertes Buch,

Mit 16 Jahren macht Robert sich auf den Weg zum Ort seiner Sehnsucht, zum Meer. Er weiß, dass er wie alle Männer seiner Familie als Bergarbeiter tätig sein wird, wenn er wieder zurückkommt. Es ist die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, noch sind das Land und die Menschen vom Krieg geprägt. Kurz bevor er zum Meer kommt, lernt er eine ältere Frau kennen, allein lebend, unkonventionell und vor allem mit Ansichten zu Ehe, Familie und Religion, die seine bisherige Weltsicht in Frage stellt. Aus dem gemeinsamen Tee-Nachmittag wird ein längerer Aufenthalt, Robert wird zu üppigen Mahlzeiten eingeladen und revanchiert sich mit Reparaturarbeiten am Haus. Dabei stößt er auf ein Manuskript mit Gedichten - es ist Dulcie gewidmet, doch diese will sie auf keinen Fall lesen. Dieses Buch über den jungen Robert, dessen Weg vorgezeichnet scheint, hat mich ziemlich nachdenklich hinterlassen. Denn Robert wird diesen vorgezeichneten Weg nur teilweise gehen, er wird in der Zeit, die er mit Dulcie verbringt, jede Menge für sein Leben lernen - ja, er wird lernen, das Leben zu leben. Während Robert sich auf die Suche macht, zunächst nur physisch, dann aber auch mit seiner Geisteshaltung, und sich dabei sich selbst annähert, hat Dulcie die Gabe, ein schlummerndes Talent zu wecken. Und so findet Robert den Teil an sich, den er ohne seine Suche nie hätte umsetzen können, er genießt es, im Einklang mit der Natur und mit viel Poesie im Alltag zu leben. Seine "epische Reise", wie Dulcie dies nennt, wird sein Leben von Grund auf veränden. Man würde jedem eine solche talentfördernde Dulcie wünschen, so wie jeder Mensch die Gelegenheit zu seiner eigenen "epischen Reise" erhalten sollte. Mir hat dieses Buch sehr gefallen, und deshalb möchte ich es weiter empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen.