Die Londoner Künstlerin Eve hat zwei Schwächen: Blumen, die in ihren Werken wiederkehren und junge Männer. Auch zur Vorbereitung einer großen Museumsretrospektive stehen ihr daher einige Hindernisse im Weg: ihre Ehe zerbricht, ihre Tochter enttäuscht, ihre ehemalige Freundin ist ihre größte Rivalin; ihre Affäre mit einem jüngeren Mann ist dabei auch keine Hilfe.
Das typische Diogenes-Cover ist schlicht. Das Gesicht einer Dame wird halb vom Schatten verdeckt, auffällig ist hier nur die zweireihige Perlenkette. Die Kapitellänge ist sehr angenehm, der Schreibstil variiert: wunderschön formuliert sind die Sätze immer, doch teils sind diese sehr leicht lesbar, teils sind sie verschachtelt und beinhalten sie sehr viele Fremdwörter, Verweise auf Kunstepochen oder Maltechniken.
Bei einem winterlichen Abendspaziergang durch London gehen der sechzigjährigen Eve allerlei Gedanken durch den Kopf. Sie lässt ihr Leben Revue passieren, ihr Familienleben, ihre Liebschaften, ihre künstlerische Ausbildung und ich Werk. Aber sie tut all das nicht chronologisch; ihre Gedanken springen von einem Thema zum andern, bleiben hängen und werden erst viel späte wieder aufgegriffen; Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit vermischen sich mit dem gegenwärtigen Geschehen. Was immer der Leser über Eve erfährt - es geschieht nur aus ihrer Sicht, die großartig von der Autorin wiedergegeben wird. Der Effekt, den McAfee dadurch erzielt, ist phänomenal: der Leser wird richtiggehend manipuliert und gezwungen, seine Ansichten über die Künstlerin immer wieder zu überdenken.
Die Autorin greift in diesem herausragenden Roman unterschiedlichste Themen auf: Abhängigkeit, Rache, Rivalität, Einsamkeit, Schuld, Zweifel - die Liste ließe sich endlos fortsetzen, sie ist so vielfältig wie die Gedankensprünge der Protagonistin. Und es spricht dadurch Leser an, die sich wirklich mit einem Buch auseinandersetzen wollen. Um eine leichte Lektüre zum Nebenherlesen handelt es sich dabei sicher nicht.