INHALT:
1898 flüchtet Unni mit ihrem Sohn Roar von Norwegen nach Schweden. Armod, eigentlich ein Vagabund und gleichzeitig ihr Geliebter, schließt sich den beiden an und behandelt den Jungen wie seinen eigenen Sohn.
Nach dem beschwerlichen Fußmarsch lässt sich die kleine Familie in einer halb zerfallenen Kate nieder. Sie befindet sich auf einer Lichtung, mitten in einem kleinen Birkenwald.
Zehn Jahre lang sollen sie dafür ihre Schulden bei einem Bauern abarbeiten.
Unni spürt den Frieden an diesem einsamen Ort. Hier möchte sie bleiben, in sicherer Entfernung zu den Dorfbewohnern, die ihr mit persönlichen Fragen viel zu nahe kommen könnten. Sie dürfen nicht erfahren, was Unni getan hat und weshalb sie fliehen musste!
Aber schon bald muss die Familie erkennen, dass sie sich das Leben im Wald anders vorgestellt hat: nicht als ein einziger Kampf um Hunger, Kälte, Leben und Tod und deutlich harmonischer und friedlicher
"Ich fing an, Armod mit meinen Worten zu kratzen. So ist es wohl mit der Liebe - wenn sie im Bauch nicht wachsen kann, verliert sie auch in Kopf und Herz an Kraft. Der Hunger nagt an ihr, bis sie zerbröselt. Magere Mücken beißen besonders scharf."
70 Jahre später sitzen Kåra und ihre Schwiegermutter Bricken zusammen und planen die Beerdigung von Kåras Schwiegervater Roar.
30 Jahre haben sie gemeinsam in dem Haus verbracht, in dem einst Unni ein Zuhause fand. Was ist damals eigentlich geschehen?
Gerne wäre Kåra so mutig und stark, wie Unni es war, bzw. wie das, was man über sie erzählt. Dann würde sie nicht seit Jahren unglücklich hier festsitzen.
"Ich will nicht hier sein, aber wo kann ich hin?"
"Mein Herz ist eine Krähe hoch oben in einem Baum. Mal krächzt sie in der Ferne, mal kommt sie näher. Ich schätze, ich wurde so geboren, und trotzdem habe ich mich oft gefragt, warum die Krähe gerade mich auserwählt hat. Aber ich klage nicht: Wenn die Angst kommt, dann wispernd, mild wie eine Spätsommerbrise."
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MEINUNG:
Auch mehrere Tage nach dem Beenden des Buches, fällt es mir schwer, die richtigen Worte für mein Leseerlebnis zu finden.
Aber fangen wir so an: Was mich an diesem Buch begeistert hat, war der Schreibstil. Auch wenn ich mich auf den ersten Seiten zunächst etwas einlesen musste und ihn erst als holprig empfunden habe, gefiel er mir mit jedem Satz besser. Zeitweise wuchs meine Bewunderung für die Schönheit der Worte stetig an und ich ließ sie mir hin und wieder auf der Zunge zergehen.
Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, was wunderbar zu einem Leben im Wald und zu all den Naturerfahrungen passt.
Auch die Fülle an Metaphern hat mir gut gefallen.
Gleichzeitig stellt die Schönheit der Worte mit der Zeit im absoluten Gegensatz zur Handlung des Buches, sodass ich sie nach und nach gar nicht mehr als so schön wahrnehmen konnte.
Denn der Inhalt der Geschichte ist extrem düster und deprimierend.
Nicht falsch verstehen, ich mag melancholische und auch mal traurige Werke, die berühren. Aber hier wurde dem Ganzen gefühlt nochmals eine Schippe obendrauf gesetzt.
Vor allem Kåra hat es mir schwer gemacht. Eigentlich ist sie (teilweise durch psychische Erkrankungen bedingt) den ganzen Tag nur am Jammern über ihr aussichtsloses Leben, weshalb ich häufig wirklich genervt von ihr war. Gleichzeitig war ich aber auch etwas verärgert, wie misogyn ihr Mann sie in der Vergangenheit behandelt hat und welchen Weg Kåra wählte, damit umzugehen ...
Unnis Perspektive hat mir insgesamt etwas besser gefallen und viele Szenen waren wirklich spannend und ich habe sie immer noch als Bilder vor Augen. Sie ist eine Kämpferin, die nur das Beste für ihre Kinder möchte. Anfangs war sie mir durch ihre Angst etwas zu unnahbar, aber mit der Zeit konnte ich immer mehr mit ihr fühlen.
Das Schicksal meint es häufig nicht gut mit ihr. Die Armut und der ständige Hunger werden sehr eindrücklich geschildert. Vor allem bei den Kindern ging mir das besonders nahe und ich musste immer wieder schwer schlucken.
Auch wenn bei ihr manchmal kleine Hoffnungsschimmer durchblitzen, ist auch dieser Handlungsstrang meistens nicht einfach zu lesen.
So überwiegt in diesem Buch ganz deutlich die Schwere, die ich als etwas zu erdrückend wahrgenommen habe. Manchmal ist es gut, wenn eine Geschichte dann noch einen etwas leichteren Handlungsstrang beinhaltet, was hier nicht der Fall ist. Aber das ist selbstverständlich Geschmackssache.
Für mich waren es irgendwann etwas zu viele tragische Ereignisse auf zu engem Raum, wodurch ich das Buch als nicht mehr so authentisch wahrgenommen habe. Wiederholungen in der Handlung führten zu einer Monotonie, die zwar zum Alltag der Frauen passte (vor allem bei Kåra), beim Lesen jedoch ermüdend wirkte und alles noch trostloser erscheinen ließ.
Was mich an dieser Familiengeschichte äußerst positiv überrascht hat, war der Schluss und wie alles miteinander zusammenhängt. Mit der Auflösung hatte ich nicht gerechnet und ich habe sie gebannt verfolgt. Dafür ziehe ich meinen Hut!
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FAZIT: Der Schreibstil ist wundervoll und auch die Handlung ist insgesamt interessant, spannend und durchdacht. Doch mir persönlich wog der Inhalt zu schwer und ich hätte mir weniger Schicksale, etwas weniger deprimierende Gedanken und weniger Gewalt gewünscht.
Wer davon nicht so schnell zurückschreckt, sollte sich das Buch genauer anschauen! 3,5-4/5 Sterne!
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(C.N.: v. a. Schwere Armut, Hunger (auch bei jungen Kindern), Depressionen, früherer Umgang mit psychisch Kranken, se*uelle Gewalt, körperliche Gewalt (auch an Kindern), Misogynie, Abtreibung, Tablettenabhängigkeit, Schlachten von Tieren, Tod und Trauer)