Als einen "Drahtseilakt von ungewöhnlicher erzählerischer Virtuosität" lobte Richard Ford "Das dritte Licht", das aus der Erzählperspektive des jungen Mädchens geschildert wird. Tastend folgt der Leser den Beobachtungen des Kindes, wird als Miterlebender und Mitfragender in die Geschichte hereingeholt. Nichts, was über den Erlebnishorizont der Protagonistin hinausgeht, wird preisgegeben. Stattdessen legt Keegan ein Netz von Spuren, subtile Details, die von scharfer Beobachtungsgabe zeugen und weit über sich hinausweisen. Das Zusammenfügen der Splitter zu einem Mosaik überlässt sie zunächst dem Leser selbst.
Das Knappe, Lakonische ist stilbildend für Keegans Erzählungen, die nicht selten die Abgründe des Familienlebens zum Sujet haben. Minimalistische Erzählökonomie statt Hypertrophie der Ausdrucksmittel. Keegan vertraut auf die Intelligenz ihrer Leserschaft und verbringt mehr Zeit damit, ihre Erzählungen von dem Offensichtlichen zu reinigen als sie zu schreiben. So entstehen in einem fortschreitenden Prozess der Verdichtung Konstruktionen von ungeheuer suggestiver Kraft, über die eine Spannung des Unausgesprochenen schwebt. "Wenn ein Prosaschriftsteller genug über das weiß, worüber er schreibt, kann er Dinge auslassen, die er weiß, und der Leser wird, wenn der Schriftsteller aufrichtig genug schreibt, ein so starkes Gefühl dieser Dinge haben, als ob der Schriftsteller sie erwähnt hätte. Die Würde der Bewegung eines Eisbergs ist darauf zurückzuführen, daß nur ein Achtel von ihm über Wasser ist." Dieses Zitat von Ernest Hemingway wird nicht selten auf Keegans Erzählungen übertragen. Vielleicht lässt sich Keegans Schreibkunst mit Blick auf "Das dritte Licht" noch prägnanter mit Antoine de Saint-Exupéry fassen: "Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann."