Die erste Seite von Der Ausflug ist stark. Ich habe sofort Gänsehaut, Spannung greift um sich und in mir wächst die Vorfreude auf die Geschichte.
Es folgt sofort ein Knick in der Spannungskurve, als mich Ulf Kvensler etwa zwei Monate zurückschickt und mir die ersten Protagonisten von Der Ausflug vorstellt. Anna, die Hauptfigur in diesem Stück, ist gleichzeitig auch die Erzählerin. Ich erlebe alles aus ihrer Perspektive. Wie sich die anderen Charaktere wirklich fühlen, was sie denken und welche Intention hinter ihren Handlungen steckt, erfahre ich hingegen nicht.
Anna wirkt auf mich sehr selbstbezogen und ich kann sie nicht leiden. Im Verlauf des Buches entwickele ich eine regelrechte Antipathie gegen sie. Dadurch zieht mich ihre Geschichte, ihre Wahrnehmung der Ereignisse einfach nicht in ihren Bann.
Leider bleiben für mich auch die anderen Figuren blutleer und eindimensional. Sie sind mir zwar nicht gänzlich unsympathisch, aber ich kann mich einfach nicht für sie erwärmen.
Annas Verlobter Henrik wirkt am blassesten aus der ganzen Truppe. Später wird sich auch herausstellen, warum das so ist.
Milena, die gute Freundin der beiden, wirkt immer sanft und ein bisschen unterwürfig. Ob sie das auch wirklich ist, kann ich schwer einschätzen, da Anna sehr auf sich bezogen alles darstellt.
Der einzige Charakter, der wirklich noch ein wenig Farbe und Spannung ins Buch bringt, ist Jacob. Ist er Freund oder Feind? Das einzuschätzen ist nicht leicht und gibt der Geschichte ein bisschen Würze.
Der Ausflug zeichnet sich durch recht wenige Charaktere aus, was die Story übersichtlich macht. Der Fokus liegt eindeutig auf der Umwelt der Figuren, Naturbeschreibungen kostet der Autor lang und breit aus.
Unterbrochen von Annas Erzählungen gibt es noch eine weitere Erzählebene. Sie trägt sich in der zweiten zukünftigen Gegenwart zu und zeichnet sich nur durch Dialoge aus. Damit nimmt mir Ulv Kvensler den Überraschungseffekt, wer den Ausflug auf jeden Fall überleben wird. Das finde ich schade. Gleichzeitig offenbart mir dieser Handlungsebene auch einfach zu viel. Das Ende habe ich mir alleine durch diesen Teil selbst richtig geschlussfolgert. Kehren wir aber zurück zu meinen Leseeindrücken.
Die Geschichte von Der Ausflug entfaltet sich beinahe behäbig. Immer wieder schweift Anna von der aktuellen Gegenwart in Vergangenes ab und ergießt sich dabei lange in Ereignissen, die mir für das eigentliche Handlungsgeschehen nicht allzu relevant erscheinen. Ja, manche Details sind wichtig, damit am Ende die Ereignisse einen logischen Zusammenhang haben. Aber für meinen Geschmack hätte manches stark eingekürzt werden können.
Insgesamt liest sich Der Ausflug ein bisschen wie ein Wanderführer in Romanform. Ulv Kvensler nimmt mich mit auf die Wanderung der beiden Pärchen. Anna, Henrik und Milena gehen jedes Jahr in die Berge Schwedens wandern. Nur dieses Jahr ist alles anders. Milenas neuer Freund Jacob möchte mit und ändert spontan die Route. Statt entspannter Wanderung soll es in den Sarek gehen. Ein Nationalpark im schwedischen Teil Lapplands mit viel rauer Natur, über 2.000 Meter hohe Berge und Gletscher. Wilde Sturzbäche, tiefe enge Schluchten und atemberaubende Ausblicke inklusive. Und genau das wird in allen Details und Farben beschrieben. Dies macht Ulv Kvensler auf jeden Fall richtig gut, mich langweilt das aber. Ich will ein Adrenalin berauschten Thriller und keinen Natur- und Wanderroman lesen.
Und so zockelt die Story langsam vor sich hin und ich warte auf echte Spannung. Ab und zu blitzt da mal was auf, es wird gewalttätiger und kleine Psychospielchen beginnen. Es reicht zwar für mich nicht für einen Thriller aus, aber immerhin verliere ich nicht gänzlich das Interesse. Ich möchte schon wissen, wie es ausgehen wird.
Das letzte Viertel beginnt dann doch endlich spannend zu werden und ich freue mich, dass ich nun wohl doch für mein Durchhalten belohnt werde. Gebannt verfolge ich den Showdown, der so plötzlich endet, wie er aufgetaucht ist. Ich werde in die zukünftige Gegenwart katapultiert und wie der Zauberer sein Kaninchen, holt Ulf Kvensler plötzlich eine weitere Perspektive aus seinem Hut.
Hätte gut sein können, leider lässt er die Entwicklung so offen, dass ich mir den Schluss so zurechtschustern kann, wie ich möchte. Vollumfängliche Aufklärung der Ereignisse Fehlanzeige. Schade.
Fazit:
Das Wandern ist des Mos Frust, Der Ausflug leider auch. Wer Lust auf atemberaubende Naturbeschreibungen hat, die mit ein bisschen Thrill gewürzt sind, findet hier eine tolle Lektüre.