Rávdná, ihre Schwester Ánne und ihre Tochter Ingá sind Sami, sie folgen dem Lauf der Jahreszeiten. Im Winter leben sie in einer Baracke im Osten, im Sommer ziehen sie gen Westen an den See, um dort der Fischerei nachzugehen. Immer wieder wird durch ein großes Elektrizitätsunternehmen ihr Territorium verkleinert, indem es den See, der ihre Lebensgrundlage darstellt, mehr und mehr aufstaut. Jedes Mal verlieren sie ein Mehr an dem ohnehin schon geringen Eigentum. Die Samen werden als minderwertiges Volk angesehen, nahezu ohne Rechte. Doch ihr Widerstand wird im Laufe der Jahrzehnte immer mehr...
Elin Anna Labba thematisiert in "Das Echo der Sommer" die kontinuierliche Vertreibung der Sami auf eindrucksvolle Weise. Die indigene Bevölkerung Skandinaviens wurde lange Zeit als minderwertig angesehen, als Menschen betrachtet, die es selbst nicht zustande bringen, in "geordneten" Verhältnisse zu leben. Ohne groß zu fragen, werden sie peu à peu ihres Lebensraumes beraubt, ohne eine Mitsprache an ihrer Zukunft zu haben. Labba erzählt anschaulich die Naturverbundenheit der Sami - und wie diese von der schwedischen Obrigkeit gekonnt ignoriert wurde. Die drei Frauen stecken sich lange zurück, bis sie nicht mehr mitmachen wollen. Dabei gehen sie äußerst unterschiedlich mit der schleichenden Vertreibung um. Ánne, selbst vom Schicksal stark mitgenommen, resigniert, während ihre Schwester Rávdná immer mehr Widerstand leistet. Rávdnás Tochter Inga will bloß leben, interessiert sich nicht wirklich für Politik, sondern bemüht sich um ein erträgliches Überleben. Sie leben im Einklang mit der Natur, doch im Laufe der Zeit scheint das immer mehr ein Hindernis zu sein.
Die Erzählung der Autorin hat eine besondere Atmosphäre, die Leser:innen spüren förmlich die Verbundenheit der Figuren mit der Natur und die zerstörerische Kraft der hegemonialen Herrscherbevölkerung. Die Sprache ist kühl, beinahe unemotional und hinterlässt doch den Eindruck der puren Unterdrückung der indigenen Bevölkerung. Wir begleiten die Protagonistinnen über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren (1920er bis in die 1970er Jahre) und fühlen, wie unterschiedlich deren Umgang mit der Unterdrückung doch ist. Von purer Resignation, über widerständischen Handeln zu Ignoranz ist alles vorhanden. Die Charaktere sind äußerst unterschiedlich, ihnen gemein ist aber, dass sie nie wirklich zugänglich sind. Trotzdem sind all ihre Handlungen nachvollziehbar, auch wenn es schwer erträglich ist, in welchem Ausmaß die Unterdrückung stattfindet.
Das Buch ist für alle geeignet, die sich mit der Geschichte und dem Umgang mit dieser europäischen indigenen Bevölkerung auseinander setzen wollen. Die Landschaftsbeschreibungen und die kulturellen und religiösen Aspekte der samischen Bevölkerung werden glaubhaft vermittelt. Die Autorin schafft es gekonnt, Bilder zu erzeugen, die die Handlung, die Figuren und die landschaftliche Atmosphäre authentisch widerspiegeln.
In den letzten Jahren hat es einige Literatur gegeben, die sich mit der samischen Kultur und deren Unterdrückung beschäftigt haben. Elin Anna Labba schafft es in "Das Echo der Sommer" glaubhaft, deren Unterdrückung und eigenen Widersprüche darzustellen. Was aber, wie bei einigen anderen Werken ebenfalls, vernachlässigt wurde, ist, dass den Leser:innen die Möglichkeit geboten wird, die sprachliche Kultur verständlich zu machen. Auch in "Das Echo der Sommer" wird in der samischen Sprache gesprochen, doch leider wird es verabsäumt, wesentliche Ausdrücke in einem Glossar dem nichtwissenden Leser:innenpublikum näherzubringen. Zwar hat mich das wesentlich weniger gestört, wie in anderen Romanen, die das Schicksal der Sami thematisieren, weil die Bedeutung oft in Nachfolgesätzen gekonnt weiterverfolgt wurden. Trotzdem wäre es dem interessierten Lesepublikum durchaus zuzumuten, durch Fußnoten oder einem Glossar immer wieder auftauchende Begriffe wie "Giisá" oder "Eanni" zu erklären, einfach auch um mehr Verständnis den Protagonistinnen gegenüber zu erzeugen. Diese Auslassung im Sinne der Leser:innen begründe ich auch meine Entscheidung, eine Stern für dieses ansonsten wunderbar authentische Bild der Sami in Romanform abzuziehen.