Blood of Hercules: Berühre sie und stirb von Jasmine Mas ist der Auftakt einer neuen Dark-Romantasy-Reihe, die versucht mit einer ungewöhnlichen Heldin und einer Neuinterpretation der griechischen Mythologie zu überzeugen. Aufgewachsen unter schrecklichen Bedingungen, mit Pflegeeltern, die sie hassen und misshandeln, hat Alexis nicht viel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Einzig ihr Pflegebruder Charlie weckt in ihr den Wunsch durchzuhalten und sich für ein besseres Leben einzusetzen. Also ist sie fleißig, verdient Essensmarken wo sie kann, blendet die Hänseleien in der Schule aus und lernt für eine bessere Zukunft in einer Welt, die nicht viel übrig hat für Menschen, noch dazu solche, die am Rande der Gesellschaft leben. Doch ihr ganzes Leben wird mit einem Mal auf den Kopf gestellt, als ein Test in der Schule ihre wahre Herkunft enthüllt. Alexis ist eine Nachfahrin von Göttern, ein verstoßenes Mischblut und als solches Verpflichtet die tödliche Ausbildung an der spartanischen Kriegsakademie anzutreten. Es beginnt ein erbarmungsloser Kreislauf aus endlosem Unterricht, Schlaf- und Nahrungsentzug und Demütigungen, die sie nicht nur vonseiten ihrer attraktiven Mentoren Achilles und Patro über sich ergehen lassen muss, sondern auch durch die nicht minder attraktiven Professoren Augustus und Kharon. Zwei mächtige Erben zweier Chthonischer Häuser, die in Alexis mehr zu sehen scheinen, als ihr klar ist.
Was man dem Buch definitiv zugutehalten muss, ist die äußere Gestaltung. Von Cover, zum Farbschnitt über das gesamte Layout ist das Buch wirklich ein Blickfang. Leider konnte der Inhalt für mich nicht mit der äußeren Aufmachung mithalten.
Während der Einstieg in die Geschichte noch vielversprechend war eine junge, obdachlose Waise, die schon früh die Brutalität der Welt kennenlernen musste, ist gezwungen sich gegen Monster, Mitschüler und übernatürliches Grauen zu behaupten konnte das Buch das Potential nicht so ausschöpfen, wie ich es mir gewünscht hätte. Es erschöpft sich in Wiederholungen, Längen, fehlender Entwicklung und Unstimmigkeiten in einigen Charakterzeichnungen.
Die Protagonistin wird vorgestellt als jemand, der gelernt hat trotz aller Widrigkeiten zu überleben, wenn nicht für sich selbst, dann doch zumindest für ihren Pflegebruder, den sie sehr liebt. Tatsächlich stellt sich aber schnell heraus, dass Alexis über weite Strecken des Buches vor allem davon geprägt ist, dass sie nicht nur keinen Überlebenswillen hat, sondern regelrecht eine Todessehnsucht in sich trägt. Die meiste Zeit denkt sie darüber nach, wie nett es wäre tot umzufallen. Ihr Pflegebruder spielt nach den ersten Kapiteln kaum noch eine Rolle (was besonders schade ist, weil sie außer ihm niemandem in ihrem Leben hat, außer einer sarkastischen Schlange, die außer Alexis selbst niemand sonst sehen kann). Wer darauf hofft, dass sich Alexis irgendwann aus ihrer Passivität und andauernden Lethargie befreit, hofft vergebens. Der Klappentext verspricht zwar, dass ihre Mentoren Achilles und Patro sie zu einer gefährlichen Kriegerin formen, davon bekommt man aber herzlich wenig mit. 600 Seiten später hat Alexis nicht eine Unze mehr Kampfgeist (oder Fähigkeiten) in sich als am Anfang. Sie hat ein paar gute Momente, in denen ich richtig gehofft hatte jetzt ist es soweit, jetzt kommt sie zu sich, aber das war nur ein kurzes Aufflammen von Widerstand, das schnell in sich zusammenfiel. Die meiste Zeit lässt sie sich widerstands- und willenlos durch die Ereignisse treiben und hinterfragt nicht, was um sie herum oder gar mit ihr geschieht. Obwohl sie eigentlich als sehr clever beschrieben wird, wirkt sie überwiegend extrem naiv und unaufmerksam.
Neben meinen Problemen mit Alexis war ein weiteres Manko, das ich beim Lesen hatte, dass es nicht eine annähernd sympathische Figur gab. Eine Ausnahme war höchstens die Schlange Nyx, aber mit der Zeit machte es den Eindruck, dass sie nur als Comic Relief herhalten soll. Ich hatte gehofft mehr über die Sonderbarkeiten ihrer Beziehung zu erfahren, aber das spart sich die Autorin wohl für den Folgeband auf. Ansonsten strotzt das Buch von unausstehlichen Begleitcharakteren. Besonders die männlichen Hauptfiguren waren ein einziges rotes Warnsignal. Schon klar, bei Dark Romance gehört das dazu, aber für mich funktioniert das nur, wenn man etwas von der Bindung zwischen den Protagonisten spürt. Hier bauen alle männlichen Wesen in Alexis Umfeld quasi aus dem Nichts eine übertriebene Besessenheit von ihr auf und Alexis scheint von alledem nichts mitzubekommen. Man bekommt als Leser auch nichts davon mit, wie sie sich mit potenziellen Gefühlen für ihre Verehrer auseinandersetz, weil sie ja die ganze Zeit nicht mitzubekommen scheint, dass absolut jeder etwas von ihr will. Allein bei dem Gedanken daran, will ich die Augen verdrehen.
Insgesamt muss ich sagen, dass Blood of Hercules meiner Meinung nach sowohl mit seinen Charakteren als auch der Handlung hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Es lässt sich gut lesen und ab einem gewissen Punkt, kann man gut durchrauschen, ohne weiter drüber nachzudenken, aber die Handlung bleibt überwiegend schleppend und einzelne Spannungsspitzen können über den Mangel an Entwicklung nicht hinwegtrösten. Ich glaube, es ist eins von diesen Büchern, bei denen es einfach passt, oder eben nicht und für mich gilt eher letzteres. Aber bei all den positiven Rezensionen muss es auch einen Grund dafür geben. Meine Erwartungen hat es leider nicht erfüllt.