Christine Wunnicke greift in ihrem neuen Roman Wachs auf eine wahre historische Grundlage zurück und erzählt die bemerkenswerte Geschichte zweier Frauen, die im Frankreich des 18. Jahrhunderts gegen gesellschaftliche Konventionen und Widerstände ihren eigenen Weg gehen. Im Zentrum stehen Marie Biheron und Madeleine Basseporte zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch durch ihre Leidenschaft, ihren Eigensinn und schließlich auch durch eine Liebesbeziehung miteinander verbunden sind.
Der Roman eröffnet mit einer eindrucksvollen Szene: Die noch kindliche Marie, die ihre wahre Identität zunächst verschleiert, bittet Soldaten um eine Leiche. Ihr Wunsch: die Anatomie zu studieren, anstatt sich in das ihr zugedachte Rollenbild als Mädchen und spätere Ehefrau einzufügen. Weder der Offizier noch ihre Mutter können ihre Leidenschaft verstehen, doch Marie hält unbeirrt an ihrem Ziel fest. Über die Jahre perfektioniert sie ihr ungewöhnliches Talent das Modellieren menschlicher Anatomie in Wachs. Diese Arbeit verschafft ihr nicht nur Anerkennung, sondern wird zu ihrer Lebensaufgabe.
Madeleine Basseporte hingegen bewegt sich in einer anderen Welt, wenn auch ähnlich unerschrocken. Ihre Hingabe gilt der Botanik. Gegen alle Erwartungen und gesellschaftlichen Schranken macht sie das Zeichnen und Erforschen von Pflanzen zu ihrem Beruf. Ihre Studien sind nicht nur Ausdruck künstlerischer Neigung, sondern auch stiller Widerstand in einer Gesellschaft, die Frauen festgeschriebene Rollen zuweist. Die Begegnung zwischen ihr und Marie markiert den Beginn einer besonderen Verbindung, die in Zuneigung und Liebe mündet. Während die Französische Revolution tobt und Köpfe buchstäblich rollen, verfolgen die beiden unbeirrt ihre persönlichen und beruflichen Ziele scheinbar in einer eigenen, von den äußeren Ereignissen abgeschlossenen Sphäre.
Wunnicke entwirft damit keinen klassischen Revolutionsroman mit großen politischen Figuren oder dramatischen Schicksalswendungen. Vielmehr zeigt sie eine leise, beinahe schwebende Erzählung über zwei Frauen, die sich durch ihre individuelle Beharrlichkeit und ihre Leidenschaft selbst behaupten. Gerade in dieser Zurückhaltung liegt die Besonderheit: Der Fokus bleibt stets auf den kleinen, persönlichen Kämpfen, die am Ende nicht weniger bedeutend erscheinen als die großen historischen Umwälzungen.
Sprachlich setzt die Autorin auf eine leichte, gut zugängliche Erzählweise. Stilistisch wie inhaltlich bleibt das Werk bewusst schlicht, fast bescheiden. Der Roman lebt in erster Linie von den beiden außergewöhnlichen Protagonistinnen und dem historischen Hintergrund. Als literarische Konstruktion wirkt Wachs zwar stimmig, erreicht jedoch kaum mehr als ein solides, kurzweiliges Niveau. Tiefere sprachliche Raffinesse oder größere erzählerische Komplexität darf man nicht erwarten.
Dennoch überzeugt das Buch als angenehme Lektüre für zwischendurch. Trotz des ernsten historischen Kontexts gelingt es Wunnicke, mit Leichtigkeit zu erzählen und den Lesern hier und da sogar ein Schmunzeln zu entlocken. Wachs ist damit weniger ein gewichtiger Revolutionsroman als vielmehr ein Plädoyer für Selbstbestimmung und für die Kraft kleiner, persönlicher Träume.