Schon der Titel des neuen Montalbano Buchs von Andrea Camilleri kann einem das Wasser im Mund zusammen laufen lassen: "Der falsche Liebreiz der Vergeltung". Der Untertitel: "Commissario Montalbano findet seine Bestimmung" passt eigentlich nur zur der ersten von drei etwa gleich langen Geschichten.
In "Montalbanos allererster Fall" erzählt Camilleri, wie Salvo Montalbano etwa 1985 nach Vigata kommt, sein schönes Haus am Meer findet und gleich mit der ihm eigenen Art seine neuen Kollegen im Kommissariat verblüfft. Zusammen lösen sie einen Fall, in dem ein Kind gebliebenes Mädchen und einige sie ausnutzende Männer die Hauptrolle spielen.
Zu der Zeit ist er noch mit Mery, einer Frau aus Catania zusammen, mit der er aber eine ähnlich komplizierte Wochenendverbindung pflegt wie später mit seiner langjährigen Freundin Livia, die in den beiden anderen im Buch veröffentlichten Geschichten - sie spielen wieder eher in der Gegenwart - ein paar Mal auftaucht.
In "Immer Montags", der zweiten Geschichte führt uns Camilleri, wie immer sehr belesen, in die Geheimnisse der Kabbala. Jeden Montagmorgen geht eine Meldung über die Tötung eines Tieres ein: es beginnt mit einem Fisch ... und könnte in einer Massenkatastrophe enden. Doch mit dem ihm eigenen Spürsinn kommt Montalbano hinter die verschlüsselten Botschaften und rettet wahrscheinlich hunderten Menschen das Leben.
In der dritten Geschichte "Zurück zu den Wurzeln" geht es um eine fingierte Entführung eines Mädchens, die ein aus dem USA heimgekehrter ehemaliger Mafiosi angezettelt hat. Und Montalbano legt ihnen allen das Handwerk. Er selbst allerdings gerät in diesem Fall in große Gefahr, wie immer mal wieder in den vorangegangen über zehn Romanen: er ist kurz davor, sich in eine andere Frau zu verlieben. Doch letztendlich ist auch hier seine Bestimmung eindeutig: er gehört zu Livia und will auch dort bleiben, selbst wenn sie wohl nie ihre Beziehung wirklich ins Reine bekommen werden.
Camilleri weist in einem Nachwort daraufhin, daß es in allen drei Geschichten kein einziges Mordopfer gibt, offenbar weil es ihm irgendwie widerstrebt. Sein Commissario braucht keine Morde, um sein Talent und seinen Spürsinn, seine Bildung und seine tiefe Menschlichkeit in Szene zu setzen.
In diesen Tagen ist Andrea Camilleri 80 Jahre alt geworden. In einem Interview erzählt er davon, daß er gerade an einem allerletzten Roman mit Salvo Montalbano arbeitet, mit dem er sich von seiner Fangemeinde verabschieden will. Doch vielleicht, so fügt er verschmitzt hinzu, lasse er dieses Buch auch noch einige Jahre liegen und lasse seinen Montalbano noch einige Fälle vorher lösen.
Wünschen wir diesem wunderbaren Schriftsteller gute Gesundheit und viel Schaffenskraft, denn die Bücher mit Montalbano werden uns irgendwann sehr fehlen.