McCarthys Roman The Road ( Die Straße ) ist alles andere als lediglich eine road novel im klassisch amerikanischen Stil,sondern theologisch betrachtet, das Buch, das unmittelbar nach dem neutestamentlich letzten Buch, der Apokalypse des Johannes, situiert werden müsste, insofern der Autor auf die judäo-christlich-apokalyptische Erzähltradition rekurriert, darüber hinaus das hochgradig angstbesetzte Thema des Untergangs der Spe-zies Mensch , womöglich den Weltuntergang, gekonnt auf Existenz- und Denkweisen postmoderner Menschen transponiert. Diese literarische Mischung aus antiken Apokalypsen und postmoderner Paranoia ist nicht das einzig Gelungene des Romans. McCarthy macht in seiner kargen, abgründig faszinierenden Prosa das Unmögliche möglich: Er invertiert die Heilsgeschichte, indem er den Gott des AT, Jahwe , als den Vater in der erzählten Geschichte, konsequent am eigenen Sohn das wieder gut machen lässt, was Jahwe von seinem Sohn verlangt hatte (den Opfertod bzw. das Sohnesopfer ), indem Gott-Vater am Ende der Zeiten zurückkehrt und durch die eigene, aufopfernde Liebe für den Sohn vielleicht den Beginn einer Neuen Welt ermöglicht. Obwohl das Ende der Zeiten offenbleibt, weil die Eschata dem Blick des Menschen grundsätz-lich verborgen bleiben müssen, weiß der Leser, dass er an etwas ganz Rarem partizipiert: Gottes und seines Sohnes letzte Wanderung durch die destruierte Welt, die Gott selbst - am Anfang - als in jeder Hinsicht gelungene Schöpfung bezeichnet hatte. Alles ist in dieser Weltuntergangsparabel enthalten, was menschlich-allzumenschlich ist: die Kategorisierung in Gute und Böse, der Krieg als Metapher des Bösen und der Unheilsgeschichte, in die sich die fast ausgestorbene Menschheit selbst hinein manövriert zu haben scheint, der Mensch als Untier , das die eigene Art eliminiert bzw. annihiliert (innerhalb eines atomaren Holocausts) und kontrapunktisch invers die übermenschliche Anstrengung des Vaters , alles zu tun, nichts zu unterlassen, um in einer Welt der totalen Vernichtung, der Entmenschlichung und Amoralität (deren Signum die Anthropophagie darstellt), dieser Welt, dieser beschädigten Existenz das Bisschen an Leben, Schönheit und Wahrhaftigkeit abzuringen sucht, was in der Hölle auf Erden überhaupt an Güte, Wahrheit und Schönheit entdeckt bzw. dieser abgerungen zu werden vermag. Obwohl alles vergeblich scheint, was der Vater unternimmt, ist doch alles gewonnen: denn die Liebe hält und trägt über den Tod hinaus.