Irvings Romane ufern häufig aus, flechten manch schöne Episode in eine Geschichte ein, zumeist jedoch würde man sich wünschen, er würde sich mäßigen. Seine Phantasie ist grenzenlos. Ein Irving Roman muß dick sein, um als Ereignis gewertet zu werden. In seinen besten Romanen, die inhaltlich eine starre Vorgabe haben, verzaubert er uns mit skurrilen Gestalten, bizarren Nebenschauplätzen. In Witwe für ein Jahr hätte man dem Autor gewünscht, er hätte die Dichte der ersten 265 Seiten nicht weiter strapaziert und nicht gleich den Nachfolgeroman angehängt. Die Geschichte einer von einer Tragödie gezeichneten Familie auf Long Island besitzt soviel Format, daß sie allein zwischen zwei Buchdeckel gehört hätte. Wenn Ruth anschließend ihre Karriere als Schriftstellerin antritt und bis nach Amsterdam gespült wird, schmeckt der edle Tropfen aus Long Island verwässert. Weniger wäre mehr gewesen. Besser wäre mit der Mutter aus der Geschichte zu treten. Dann bleibt sie betörend geheimnisvoll und birgt Irvings Stärken. Doch obsiegt unser aller Neugier und wir lesen weiter.