Wolfgang Krohn, Giinter Kiippers "Selbstorganisation" steht heute als umfassender Begriff fUr eine Reihe von Konzepten, die unter verschiedenen Namen wie Synergetik, Autopoiese, dissipative Strukturen, selbstreferente Systeme eines gemeinsam haben: die Bemiihung urn die Beschreibung und das Verstiindnis des Verhaltens komple xer, dynamischer Systeme. In der Physik etwa geht es urn die Erkliirung von Strukturbildung (hydrodynamische Konvektionsstromung) oder kohiirentem Verhalten (Laser). Die Chemie untersucht die Entstehung riiumlicher und/oder zeitlicher Strukturen in chemischen Reaktionen; im Grenzgebiet zwischen Chemie und Biologie studiert man die Entstehung und Entwicklung hochkom plexer organischer Molekiile und versucht die Entstehung biologischer Information in einer priibiotischen Welt zu verstehen. Von der Neurophysiolo gie bis hin zur Okologie werden in der Biologie Phiinomene der Ontogenese und der Phylogenese untersucht, urn zu verstehen wie aus Einfachem Komplexes entstehen kann. Die Bemiihungen der Humanwissenschaften urn ein Verstiind nis der Genese und Entwicklung von Sprache, Kultur und Zivilisation soU die Liste der Beispiele abschlie. Ben. In den 60er und friihen 70er Jahren wurden in verschiedenen Disziplinen zuniichst unabhiingig voneinander die Grundlagen hierfiir entwickelt. Man versuchte die Entstehung von Ordnung und deren Ausdifferenzierung in immer komplexere Strukturen ansatzweise zu beschreiben. Erst Mitte der 70er Jahre wurde die enge Verwandtschaft der Konzepte nicht nur beziiglich der gemeinsamen FragesteUung, sondern auch im Hinblick auf wichtige Grundbe griffen und Formalismen entdeckt und es kam zu ihrer transdiszipliniiren Vernetzung, zu einem heute fast aUe Disziplinen umfassenden Forschungspro gramm der "SelbstorganisatioD".
Inhaltsverzeichnis
Vorlaufentwicklungen der modernen Selbstorganisations- forschung im 18. und 19. Jahrhundert. - Philosophie der Natur und romantische Naturforschung. Wissenschaftsentwicklung zwischen Naturevolution und Kulturgeschichte. - Wissenschaft und Metaphysik. Überlegungen zu einer allgemeinen Selbstorganisationstheorie. - Selbstorganisation im 19. Jahrhundert. - Erkenntnistheoretische Implikationen. - Wissenschaft und Alltagsleben. Die Ontologie der wissenschaftlichen Erklärung. - Das mehrdeutige Selbst. H. R. Maturanas Konzept philosophisch betrachtet. - Gehirn und Selbstorganisation. - Zur philosophischen Bedeutung des Paradigmas der Selbstorganisation für den Zusammenhang von Naturverständnis und Selbstverständnis. - Anwendungen in den Sozialwissenschaften. - Auf der Suche nach dem Kaninchen von Fibonacci oder: Wie geschlossen ist das Wissenschaftssystem? . - Hyperzyklus in Recht und Organisation. Zum Verhältnis von Selbstbeobachtung, Selbstkonstitution und Autopoiese. - Selbstorganisation in der Entstehung des modernen Wissenschaftssystems. - Selbstorganisation und Neue Soziale Bewegungen. - Wissenschaft als selbstorganisierendes System. Eine neue Sicht alter Probleme. - Angaben zu Autoren.