Axel Hacke in seiner Kolumne Das Beste aus aller Welt , Süddeutsche Zeitung Magazin, 5. Juli 2018
Jedenfalls lese ich gerade »Padre Padrone« von Gavino Ledda, das ist 1975 erschienen, aber ich habe es jetzt erst gekauft, reiner Zufall, jemand erwähnte den Titel, und ich dachte: warum eigentlich habe ich das nie gelesen?
Ledda erzählt seine eigene Geschichte, die eines sardischen Jungen, den der Vater wenige Wochen nach der Einschulung aus der Klasse einfach abholt, weil er den Fünfjährigen als Hirten braucht und der von da an nichts weiter kennt als Schafe, Landarbeit, Einsamkeit, Entbehrung, Hitze, Kälte. Er berichtet, wie er sich aus diesem Leben befreite und wie andere sich zu befreien versuchten, durch Auswanderung zum Beispiel in fremde Länder.
Ledda schildert, wie sich die Bevölkerung des Dorfes Siligo versammelt, um die Emigranten zu verabschieden, »sie kam auf dem Marktplatz wie zu einem Leichbegräbnis zusammen, an dem sich die Emigranten als Lebende beteiligten. Männer, denen es beschieden war, bei der eigenen Beerdigung ihre Angehörigen weinen zu hören. Es war fast, als wäre die Bevölkerung in zwei Gruppen von Leichen geteilt, die sich gegenseitig begraben mussten. Siligo war tot für sie. Sie waren tot für Siligo. Einzige Hoffnung war ein Neuanfang in einem Land, das ihnen keine Wiege und keinen Gesang bieten konnte, sondern sie nur als Arbeitswerkzeuge gebrauchen und verbrauchen würde.«
Jeder, der etwas verstehen will von Auswanderung, ihren Ursachen und Bedingungen, sollte doch dieses Buch kennen. Muss nicht sein, dass er dann zum Befürworter allseits offener Grenzen wird, warum auch?, ich bin es jedenfalls nicht. Aber begreifen wird er wohl, wie dumm das Gerede vom Asyltourismus ist