Wenn man auf gnadenlose Spannung aus ist, auf spektakuläre Fälle mit Action und Thrill, dann sollte man schon seit langem nicht mehr zu Donna Leons Büchern greifen. Was andere Rezensenten vielleicht als langweilige, sich hinziehende Handlung kritisieren, ist bei Donna Leon und ihrem Venediger Commissario Guido Brunetti einfach das schlichte Leben, das sich Tag für Tag oft ohne große Unterschiede dahin zieht, wo sich in einer stabilen Ehe und Familie nicht jedes Jahr etwas dramatisch verändert und wo die Kriminalfälle unspektakulär und dennoch nicht alltäglich sind.
Was man allerdings zunehmend langweilig finden mag, ist die Tatsache, dass die Protagonisten der Bücher, der Commissario und seine Familie, sein Chef Patta, die nach wie vor wie mit einem Kunstleben ohne Alltag ausgestattete Signorina Elettra und sein sympathischer Kollege Vianello so gar nicht reifen. Es scheint, als hielte Donna Leon sie seit einem Jahrzehnt auf dem gleichen Alter und ließe nur die Geschichten, die sie erfindet, jeweils ganz aktuell sein. Viele Krimiautoren tun das, aber es macht die zu Anfang noch lebendigen Figuren mit jedem Buch mehr statisch und sie agieren ohne jede Veränderung. Und die gibt es schon. Das mag jeder einsehen, wenn er sein eigenes Leben der letzten zehn Jahre Revue passieren lässt.
Die Geschichte, um die es geht, reißt das neue Buch von Donna Leon wieder einmal heraus. Brunetti wird in seinem neuen Doppelfall mit der auch in der Realität immer dubioser werdenden Machenschaften von Kinderhändlern und Leihmüttergeschäften mit Frauen aus dem Ostblock konfrontiert und kommt gleichzeitig einem groß angelegten Betrugsmanöver von Apothekern auf die Spur. Doch der Apotheker, um den es hauptsächlich geht, hat noch ganz andere Macken, mit denen er, scheinheilig und vor seinem Gott in Reinen, Menschenleben zerstört, indem er vor sich selbst vorgibt, sie zu retten vor dem Bösen und der ewigen Verdammnis.
Donna Leons Bücher sind eine Lektüre für die Fans. Menschen, die diese Figur Brunetti lieb gewonnen haben, und denen es überhaupt nichts aus macht, dass er weder zu altern scheint, noch größere Lebenskrisen kennt. Ja, vielleicht ist es genau das, was ihn so anziehend macht.
Doch es bleibt der bedauernswerte Spalt zwischen den sehr aktuellen und drängenden sozialen und politischen Themen, die Leon immer wieder anschneidet und behandelt, und dem statischen, fast wächsernen Leben seiner Protagonisten.