»Diese fesselnde Publikation, die Cassirers häufig unterschätzte politische Standfestigkeit materialienreich unterstreicht, enthält auch die zum ersten Mal in deutscher Sprache publizierte Antrittsrede seiner Exilprofessur in Göteborg vom Oktober 1935. In ihr stellt er sich einer Diagnose Albert Schweitzers. Dieser, so Cassirer, erkenne, 'in unserer Kultur schwere geistige und ethische Schäden, und er wirft der zeitgenössischen Philosophie vor, dass sie diese Schäden nicht früh genug gesehen und daher nicht rechtzeitig vor ihnen gewarnt hat'. «
Die Warte / Luxemburger Wort 4. 3. 2010
»Dieser neunte Band verdeutlicht sehr prägnant, wie entschlossen Cassirer kulturphilosophisch ansetzt. Er geht von der Erschütterung der nationalen Identität und neuhumanistischen Kultur durch den überspannten Nationalismus und den Antisemitismus aus und sucht die normative Orientierung im Rückgang hinter die politischen Verfassungsfragen durch eine Verhältnisbestimmung von Kultur und Staat zu stärken. Der umfangreichste Text dieses Bandes dürfte hier eine kleine Sensation sein: die Erstveröffentlichung einiger unfertiger Kapital vom 'Myth of the State', die Charles W. Hendel, ein Kollege, nach Cassirers plötzlichem Tod in eigener Entscheidung ausschied. Die Hamburger Ausgabe bringt die amerikanische Buchfassung. Mit den ausgeschiedenen Kapiteln zusammengenommen kann die Diskussion nun differenzierter geführt werden. Der neunte Band ermöglicht insgesamt eine ernste Besinnung auf die nationale Problematik, die Cassirer zu seiner katholischen Revision der kulturellen Grundlagen der Humanität führte. Er ermöglicht eine entwicklungsgeschichtliche Gesamtbesinnung auf Cassirers idealistischen Grundgedanken, zeigt das Bekenntnis zum Primat der praktischen Vernunft und macht das Krisenbewußtsein von der Fragilität der nationalen Humanitätskultur deutlich, das Cassirer zum Rückgang hinter Fichtes Naturrecht auf die platonische Gerechtigkeitsidee führte. Die Edition dokumentiert den Weg zum 'Myth of the State' und macht dieses unabgeschlossene Werk als echtes Schlußwerk und Vermächtnis stark. Beilagen knapper Parallelaufzeichnungen vertiefen den Blick in die Werkstatt. Das Buch ist gut lesbar. Die wichtigsten Texte sind ausformuliert. Es verliert sich nicht in Marginalien, sondern wirft neues Licht auf die politischen Wurzeln von Cassirers Kulturphilosophie. Die Berliner Ausgabe ist sehr aufwendig. John Michael Krois und Christoph Möckel sind erfahrene Kenner. «
Philosophischer Literaturanzeiger, Bd. 61, Heft 2 (April-Juni 2008)