Die Arbeitswelt ist ein bedeutsamer lebensweltlicher Ort politischen Lernens. Die vielfältigen Arbeitswelten in Großindustrie, Handwerksbetrieben, öffentlicher Verwaltung, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Medien, Klein- und Mittelbetrieben, im Handel, Personen- und Güterverkehr, im Bereich der Dienstleistungen usw. sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Z. B. sind Belegschaften heterogener geworden, die Digitalisierung verändert Anforderungen an Tätigkeiten und Qualifikationen, die Globalisierung hat die Arbeitsteilung der Weltwirtschaft neu strukturiert, die Klimakatastrophe verlangt nach ressourcenschonenden Produktionsweisen und nachhaltigen Produkten und nicht zuletzt führen die aktuell massiv steigende Energiepreise zu gravierenden finanziellen Belastungen und bedrohen die Existenz zahlreicher Betriebe. Eine tiefgreifende Transformation steht Arbeitswelt und Gesellschaft bevor. Wie kann politische Bildung diese Prozesse begleiten?
Damit ist auch die Frage nach der Bedeutung der jeweiligen Arbeitsverhältnisse für die Demokratie gestellt. Axel Honneth sieht in seinen neueren Studien Arbeit und Demokratie in einem Ergänzungsverhältnis und geht der Frage nach, wie gesellschaftliche Arbeit gestaltet sein muss, um moralische und sozialpsychologische Voraussetzungen einer Entwicklung demokratischen Bewusstseins zu fördern und gesellschaftliches Engagement, Teilhabe sowie Mitwirkung an politischer Willensbildung zu stärken. Auf den Punkt gebracht: Arbeit muss eine auskömmliche Existenz sichern, zeitlich eingegrenzt sein, Anerkennung gewährleisten und sozialen Austausch ermöglichen. Ungleichzeitigkeiten in der Arbeitswelt, unterschiedliche Bewertung von Tätigkeiten in Produktion und Reproduktion, die Aufteilung in sichere und prekäre Arbeitsverhältnisse, in qualifiziert und unqualifiziert oder ungerechte internationale Arbeitsteilung zeigen, welche Sprengkraft diese Kriterien für Prozesse der Demokratisierung haben. Was kann politische Bildung dabei leisten und welche Formate und Aktivitäten bieten sich dazu an? Wie können aufsuchende politische Bildung, Angebote des Bildungsurlaubs, Diskurse bei Tagungen diese Themen aufgreifen? Einige Antworten geben die Beiträge dieses Hefts.
Inhaltsverzeichnis
ÜberGrenzen
Rico Lewerenz, David Jugel
Gut, dass mal jemand fragt. Eine Studie zur Lage der außerschulischen politischen Bildung in Sachsen
SchwerPunkt
Axel Honneth
Demokratie und Arbeit. Einige vorbereitende Überlegungen
Lena Heidemann
Bildungsurlaub. Zugang zur politischen Bildung in der Arbeitswelt
Luciole Sauviat, Christoph Hoeft
Demokratisch ist man nicht allein. Aufsuchende politische Bildung aus gewerkschaftlicher Perspektive
Andreas Michelbrink
Die sozial-ökologische Transformation. Herausforderung für die Gewerkschaften und die gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Bettina Zurstrassen
Aufsuchende politische Bildung an berufsbildenden Schulen
BildungsPraxis
Mareike Vorpahl, PECO-Institut e. V.
Politische Bildung in der gewerkschaftlichen Arbeitswelt
Björn Allmendinger, Gesa Lonnemann
Digitale Lernformen: Einblicke in die Praxis politischer Bildung. Bildungsvereinigung Arbeit und Leben politische Bildung seit 1948
Damaris Deinert
Ein Ding der Unmöglichkeit? Politische Bildung in der Arbeitswelt in Sachsen
ZeitZeugen
Schwarze politische Bildung communitybasierte Förderung. Interview mit Jeff Kwasi Klein
VorGänge
Politische Bildung braucht Begegnung Preis Politische Bildung 2022 / Politische Bildung und Gaming passen exzellent zusammen / Nur noch schnell die politische Bildung retten . . . ! ? / Extrem rechte und populistische Parteien im Abwärtstrend? /Horizonte politischer Bildung in religiös-konfessioneller Trägerschaft
LeseZeichen
Die Vielstimmigkeit der Demokratiepädagogik / Rechte Strategien in zivilgesellschaftlichen Räumen / Lernen durch Fragen
MitDenken
Arnd-Michael Nohl
Erwachsenenbildung in der Demokratie
AusBlick
Daten und Fakten über die digitale Arbeit der Zukunft / Soziale Lebenslage, Arbeitserfahrungen und antidemokratische Einstellungen / Islam- und Muslim*innenfeindlichkeit unter jungen Menschen / Partizipative und multimethodische Evaluation Begleitung statt Bewertung / Irritation über Überlegungen zum Demokratiefördergesetz / Demokratie einfach machen! / Kolonialismus und Rassismus / Personen & Organisationen