Kai Meyer lässt in Das Haus der Bücher und Schatten erneut das Graphische Viertel Leipzigs lebendig werden.
Wie schon in den anderen beiden Bänden geht es zum einen um das Graphische Viertel, der andere Erzählstrang kreist dieses Mal ums Baltikum. Dorthin, genauer in ein von der Außenwelt abgeschnittenes Herrenhaus reist 1913 die Leipziger Lektorin Paula Engel in Begleitung ihres Verlobten, um ein Manuskript aus der Feder eines etwas kapriziösen Autors einzusehen. Der andere Erzählstrang kreist um Cornelius Frey, der einer jungen Frau das Leben rettet, die ihm ein Rätsel aufgibt, aber kurz darauf neben einem toten Polizisten liegt, noch dazu einem Bekannten von Cornelius ermordet. Grund genug für den ehemaligen Polizisten, sich in Nachforschungen zu stürzen, bei denen er auf Geheimbünde und dunkle Geheimnisse stößt.
Wenngleich Das Haus der Bücher und Schatten auch ohne Kenntnis der Vorgängerbände verständlich ist, wird einem der eine oder andere Zusammenhang bzw. Wiedersehen alter Bekannter entgehen. Ansonsten muss man unumwunden zugeben, dass die Geschichte funktioniert, was auch daran liegen dürfte, dass Meyer sich bewährter Zutaten bedient, derer er sich schon in Die Bibliothek im Nebel bediente und hier abwandelt: statt einem Buch ist es nun ein Manuskript, statt Russland geht es nun ins Baltikum, statt gegen Ende des Ersten Weltkriegs beginnt der Nicht-Leipzig-Strang kurz zuvor. Da er diese Geschichten allerdings aus der Perspektive seiner Protagonisten erzählt, gibt es eben noch mehr Variationen. Dass auf zwei Zeitebenen erzählt wird und ein Zusammenhang zwischen ihnen naheliegt, erzeugt beinah automatisch Spannung: Man will doch wissen, wie es bei Paula bzw. Cornelius weitergeht. Als reichte das noch nicht, ist der Leipziger Strang eine Art Krimihandlung, der Baltikumsstrang geht eher Richtung Grusel a la Edgar Allan Poe, schöne Mischung für Bibliophile hat alles irgendwie noch mit Büchern zu tun, gewürzt mit einer gehörigen Portion Zeitkolorit um die Zeit der Weltkriege und die literarische Spannungssoulfood ist fertig Allerdings sollte man kein unterhaltsames Buch im Sinne von locker, fluffig erwarten, denn alle Zutaten werden zu einem doch eher düsteren Gericht mit einem etwas hektisch-konstruiert wirkenden Ende vermengt, sodass dieses etwas fader ist als der Vorgänger. Kredenzt wird es einem bei der Hörbuchfassung von Luise Helm und Johann von Bülow, die der Geschichte mit ihren Stimmen Leben einhauchen und so die 3,5 Sterne noch hochreißen.